Wie bereits in den Medien berichtet wurde, gibt es Finanzierungsprobleme bei den Regionalbuslinien.1
Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) stützt sich regional auf den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und lokal auf Buslinienverkehr, in Braunschweig auch auf die Stadtbahn. Der lokale Busverkehr bedient meistens nur das jeweilige Stadtgebiet oder den Landkreis. Gute und schnelle Verbindungen in die Nachbarstadt oder -gemeinde und in den Nachbarkreis, die nicht an Eisenbahnstrecken liegen, sind im ÖPNV oft Mangelware. Die Verkehrsbedürfnisse der Bürger enden aber nicht an Stadt- oder Landkreisgrenzen. Diese Lücke wurde im Laufe der letzten Jahre auf Initiative und mit Geld des Regionalverbandes (RGB) – obwohl er dazu nicht verpflichtet ist – über die Regionalbuslinien überbrückt. Diese Rücklagen sind nun aufgezehrt. Regionalbuslinien müssen zukünftig also über höhere Umlagen von Städten und Kreisen finanziert werden.

Bei Regionalbuslinien, die das Rückgrat des regionalen Busverkehrs bilden und die Anbindung an Ober- und Mittelzentren in dichtem Takt und mit kurzen Fahrtzeiten sicherstellen, kommt es nun zu größeren Finanzierungsdefiziten durch Kostensteigerungen bei Personal und Treibstoffen sowie durch Wegfall anderer Mittel. Das Defizit summiert sich mittlerweile auf fast 3/4 der erforderlichen Mittel, da die Zuschüsse regionaler Umlagen seit mittlerweile knapp zehn Jahren unverändert sind. Sollte es nicht zu einer Erhöhung der Zuschüsse kommen, so wären die Folgen offensichtlich: Eine Reduktion des Angebots auf etwa ein Viertel der aktuellen Leistung. Wir befürchten jedoch, dass aufgrund angebotsunabhängiger Fixkosten und sinkender Nachfrage durch die erheblichen Angebotsverschlechterungen das Angebot sogar auf Null gefahren wird!
Kreise und Städte sind deshalb gefordert, die Mittel zu erhöhen. Die Bürgermeister und Landräte haben sich allerdings bereits vor Monaten gegen eine nötige Umlageerhöhung aufgrund angespannter Haushaltslagen ausgesprochen, und entsprechend politisch Einfluss genommen, um eine Untersuchung von Einsparpotentialen durch den Regionalverband zu erreichen, obwohl die genannten Zahlen absehbare Konsequenzen klar aufzeigen.
Über den Abbau klimaschädlicher Subventionen ließe sich eine gute ÖPNV-Erreichbarkeit selbst in ländlichen Gebieten nachweislich finanzieren. Mehrheiten in der künftigen Bundesregierung hierfür sind jedoch kaum erwarten. Ob eine Lockerung der Schuldenbremse auch für eine Aufstockung der Mittel für den Öffentlichen Verkehr oder eine finanzielle Entlastung der Kommunen genützt würde, ist unklar.
So bleibt unser Appell an die Entscheidungsträger der Region, die Verbandsumlage aufzustocken.
Denn im Gegenzug zu Einschnitten bei den Regiobussen müssten Städte und Kreise aus eigenen Mitteln Ersatz in Form von örtlichen Buslinien bereitstellen. Diese wären entweder unattraktiver oder würden bei gleicher Leistung keine finanzielle Entlastung, allenfalls eine unterschiedliche Kostenaufteilung in der Region bringen. Sinkende Fahrgastzahlen würden den Zuschussbedarf bei örtlichen Buslinien und im Schienenverkehr ebenfalls nach oben schnellen lassen.
Der Busverkehr wird also in jedem Fall weiterhin Geld kosten, die Frage ist, auf welchem Wege es verteilt wird und welche Leistungen dem Fahrgast dafür angeboten werden können.
Die 39 Regionalbuslinien in der Region Braunschweig stellen ein zentrales Bindeglied zwischen dem Schienenpersonenverkehr und den örtlichen Buslinien her. Sie haben einen hohen Anteil an der Transportleistung und stellen außerhalb einiger lokaler Linien in den Großstädten die aufkommensstärksten Linien dar, die der Bevölkerung auch im ländlichen Raum schnelle und möglichst direkte ÖPNV-Verbindungen in die regionalen Zentren und zu den dortigen Angeboten ermöglichen. Entfällt diese Leistung ganz oder in Teilen, wird auch die Nachfrage im SPNV und den lokalen Buslinien sinken. Die Defizite für die lokalen Verkehrsbetriebe werden steigen und es ist mit einer erheblichen Zunahme an Individualverkehr zu rechnen.
Beispiel Regionalbuslinie 230 Braunschweig – Wolfsburg
Täglich nutzen zahlreiche Fahrgäste die Linie 230. Trotz Einführung des Halbstundentaktes auf der Regionalexpresslinie RE50 vor einem Jahr sind die Fahrgastzahlen der Linie 230 nicht spürbar gesunken, die Busse sind stets gut ausgelastet.
Ab August 2025 wird durch Baumaßnahmen der Deutschen Bahn (Korridorsanierungen) voraussichtlich für viele Monate auf dem RE50 wieder ein Stundentakt gelten. Mit Verweis auf die Linie 230 wird kein SEV angeboten.
Die Regionalbuslinien tragen also erheblich zur Absicherung von Ausfällen im Bahnverkehr bei. Eine Reduktion des Defizitausgleichs um fast ¾ würde für die Linie 230 aber voraussichtlich zu einer Reduktion vom heutigen Halbstundentakt zu einem Zweistundentakt oder gar einem kompletten Entfall der Linie und Verweis auf den verkehrenden SPNV führen.
Die Folgen von Reduzierungen bei den Regionalbussen wären weitreichend:
- Sämtliche Klimaschutz- und Mobilitätsentwicklungsziele in der Region sind obsolet, insbesondere unterstellen die Mobilitätsentwicklungspläne der Kommunen die Regiobuslinien als gegeben.
Die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen sinken nicht im erforderlichen Ausmaß oder steigen sogar weiter. Schon jetzt verfehlt der Verkehrssektor die THG-Einsparziele, Strafzahlungen drohen. - Sinkende Lebensqualität: Die geplanten Verkehrsberuhigungen von Innenstädten werden unmöglich, weil die Menschen aus dem Umland wieder verstärkt mit dem Auto in die Städte fahren werden.
- Der massive zu erwartende Qualitätsverlust im ÖPNV wird von den Menschen der Region als staatliches Versagen wahrgenommen, welches demokratiegefährdend ist. Für populistische Parteien sind derartige Kürzungen, insbesondere im ländlichen Raum, ein willkommener Anlass, um ihre demokratiezersetzenden Parolen an die Bevölkerung zu bringen. Das Gezerre um die Finanzierung des Deutschlandtickets hat bereits genug Verunsicherung geschaffen.
- Verlierer Innenstädte: Durch Einschränkungen im ÖPNV verschlechtert sich die Erreichbarkeit der Innenstädte, die schon jetzt Rückgänge der Kundenfrequenzen beklagen. Beispiel: aktuell nutzen 38% der Innenstadtbesucher von Braunschweig Bus und Bahn.
- Verlierer ländliche Gebiete: Eine gute ÖPNV-Versorgung ist für viele Menschen ausschlaggebend für eine Wohnortwahl auf dem Land und wertet Baugebiete auf, erhöht somit kommunale Einnahmen. Diese Tendenz wird sich mit der Ausdünnung des Linienverkehrs abschwächen, wenn nicht sogar umdrehen.
Wir geben zu bedenken:
- ÖPNV-Infrastruktur ist aus volkswirtschaftlicher Sicht kostengünstiger als Individualverkehr.
- Der Erfolg des Deutschlandtickets belegt, dass die Bürgerinnen und Bürger bereit sind, auf Bus und Bahn umzusteigen. Bei Einschränkungen der Regiobusse droht dauerhafter Verlust an Stammkunden des ÖPNV. Vor allem Familien entscheiden sich für die Anschaffung eines Zweit- oder Drittfahrzeugs, was dem ÖPNV dauerhaft Kundenpotential entzieht, auch wenn es später wieder zu einem Angebotsausbau kommen sollte.
- Das Einzugsgebiet der großen kreisfreien Städte unser Region ist weit größer, als das jeweilige Stadtgebiet. Somit trägt das Umland erheblich zur Wertschöpfung und zum Steueraufkommen der Städte bei. Daher sollten sich die Städte an der Finanzierung des ÖPNV in das Umland beteiligen.
- Die Einschränkungen treffen nicht nur die Regionalbuslinien. Wird ein zentrales Element des ÖPNV weitgehend reduziert, so hat das Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Wir sehen die Gefahr, dass mit den Planungen Kippunkte erreicht werden, die eine Abwärtsspirale aus sinkenden Fahrgastzahlen und weiteren Angebotsreduktionen in Gang setzen.
Wir fordern:
- Die Finanzlage der Landkreise und Städte muss dauerhaft strukturell verbessert werden.
- Landkreise und Städte dürfen die Bedeutung des ÖPNV nicht verkennen. Er trägt zur gesellschaftlichen Resilienz als Teil kritischer Infrastruktur bei, er ist auch ein ausschlaggebender Standortfaktor.
- Die Auswirkungen der Einschränkungen bei den Regiobuslinien sind umfassend und ganzheitlich zu betrachten.
- Wir unterstützen Untersuchungen zur Effizienz der bestehenden Regiobuslinien. Diese sollten hinsichtlich ihrer Qualität weiter entwickelt werden. Hierzu bedarf es allerdings keiner Schnellschüsse, sondern seriöser Untersuchungen, die seitens des Regionalverbands bereits durchgeführt werden. Bis zum Abschluss dieser Untersuchungen ist das heutige Angebot zu sichern, vor allem, da es im gesamtdeutschen Vergleich nicht übermäßig dicht ist.
- Wir halten die Umlagefinanzierung unter Regie des RGB für das geeignete Mittel zur Bereitstellung von Busangeboten, die nicht an der nächsten Kreisgrenze Halt machen und ein möglichst attraktives Angebot für die ganze Region machen.
- Langfristig und perspektivisch sind weitere Finanzierungsmodelle zu entwickeln (z.B. eine ÖPNV-Abgabe).
- Durch die Finanzierungskrise bei den Regionalbussen droht der weitreichenste Einschnitt im regionalen ÖPNV der letzten Jahrzehnte. Dass die Entscheidungen dazu offenbar unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen, trifft auf unser absolutes Unverständnis. Wir fordern die Beteiligung der Öffentlichkeit!
- Wir beziehen uns auf die Berichterstattung in der Braunschweiger Zeitung vom November 2024 und auf die Pressemitteilung der Grüne-Fraktion beim Regionalverband vom 19.2.2025 ↩︎