Einen Monat nach Fahrplanaufnahme im „Regionalbahnkonzept 2014+“ ziehen die Umwelt- und Verkehrsverbände in Brauschweig und Wolfenbüttel eine erste Bilanz. Sie fällt kritisch aus. Robert Slawski vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) ist sich mit den übrigen Teilnehmern des Verbändeforums einig, wenn er feststellt: „Zwar ist eine erste deutliche Verbesserung im regionalen Bahnangebot erreicht, aber mindestens ebenso umfangreiche Maßnahmen müssen noch folgen. Ein großes Problem stellt die bisherige Organisation des Gesamtnetzes aus Bus und Bahn dar.“
Mitglieder des Forums (VCD, BUND, AG Mobilität und Verkehr, braunschweiger forum e.V., Umweltzentren Braunschweig und Wolfenbüttel) widersprachen Landesverkehrsminister Olaf Ließ. Dieser hatte am 14.12.2014 erklärt: „Die Region ist nun gut aufgestellt, was den Schienenverkehr anbelangt“. Manfred Kracht, VCD Wolfenbüttel, machte deutlich, dass weitere Investitionen erforderlich sind, um ein öffentliches Verkehrssystem zu etablieren, das dem zweitgrößten städtischen Ballungsraum in Niedersachsen wirklich gerecht wird.
Träger des „Regionalbahnkonzeptes 2014+“ ist der Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB). Neben den Jubelreden zum Neustart im Dezember fordert das Verbändeforum, dieses Konzept zunächst an seinen eigenen Ansprüchen zu messen, die im Februar 2011 formuliert worden sind. Dabei ist festzustellen, dass zwei von vier wesentlichen Zielsetzungen nicht erreicht wurden. Dadurch wird ein künftiger Gesamterfolg in Frage gestellt.
Zwar ist der Stundentakt auf allen Strecken wochentags und die Einführung neuer schneller und bequemer Bahnfahrzeuge erreicht oder doch in greifbare Nähe gerückt. Aber die vier versprochenen zusätzlichen Bahnstationen im Raum Braunschweig-Wolfenbüttel (BS-Nord, Broitzem, Leiferde, WF-Wendessen) sind noch nicht einmal im Planungsstadium konkretisiert. Und ebenso ist der ZGB von seinem eigenen Ziel weit entfernt, eine „optimale Verknüpfung zwischen Bahn und Bus“ herzustellen.
Das Verbändeforum hat dazu eine Stichproben-Untersuchung durchgeführt, die erschreckende Mängel offenbarte. Das Bussystem bindet derzeit die Bahnstationen nur in unzureichender Weise an, die Liniennetzpläne weisen geradezu absurde Formen von Auslassungen auf. Aber eine gute Taktung mit zuverlässiger Zubringersituation wird über den Erfolg des Regionalbahnkonzeptes entscheiden, wenn man nicht die Investitionssummen, sondern die Steigerung der Fahrgastzahlen zum Maßstab nimmt.
Als ein systematisches Problem erscheint, dass der gemeinsame Netzgedanke innerhalb des regionalen Tarifgebietes VRB (Verbundtarif Region Braunschweig) kaum entwickelt ist. So wurde zum Beispiel mit Einführung des Stundentaktes am Bahnhof Thiede gleichzeitig eine konkurrierende Schnellbuslinie eingerichtet (KVG Salzgitter). „Jedes lokale Verkehrsunternehmen handelt vornehmlich zum eigenen Nutzen, Linienverknüpfung zu den Nachbarn mangelhaft, Gesamtfahrplan nicht vorhanden“, so Stefan Vockrodt vom Umweltzentrum Braunschweig. „Eine wirksame Kontrollinstanz gegenüber diesen Partikularinteressen existiert nicht“. Abhilfe könnte wohl nur ein straff geführter Verkehrsverbund bieten, wie er in der Region Hannover bereits existiert.
Ebenso fehlt im ZGB-Gebiet eine sinnvoll integrierte Fahrgastvertretung, die von der Nutzer-Seite her künftig zu Verbesserungen beitragen könnte.
Speziell für den Raum Braunschweig-Wolfenbüttel ist noch an das niedersächsische Landesprogramm zur Reaktivierung von Bahnstrecken und Bahnstationen zu erinnern. Das Verbändeforum erwartet vom Verkehrsministerium Verbesserungen für Braunschweig-Nordwest (Bahnlinie nach Harvesse, Anbindung von mehr als 10.000 gewerblichen Arbeitsplätzen) und die rasche Wiedererrichtung des Haltepunktes Wolfenbüttel-Wendessen.