Kritik und Anregungen zum Nahverkehrsplan 2020

Alle fünf Jahre erstellt der Regionalverband Großraum Braunschweig (RGB) als Aufgabenträger für den öffentlichen Nahverkehr einen Nahverkehrsplan (NVP), der den augenblicklichen Zustand und Weiterentwicklungen des Bus- und Bahnangebotes beschreibt.

Der Nahverkehrsplan 2020 des Regionalverbands Großraum Braunschweig

Wir von MoVeBs haben den neuen Nahverkehrsplan 2020 durchgearbeitet, den Inhalt geprüft, und müssen leider feststellen, dass es sich im Wesentlichen nur um eine Fortschreibung des bestehenden Plans von 2016 handelt. Es sollen viele Verbesserungsvorschläge und -maßnahmen (aus der Region) geprüft werden, doch es gibt keinerlei verbindlichen Terminierungen, ob und wann diese Prüfaufträgen dann auch konkret umgesetzt werden.

Vor allem fehlt ein Plan für den Ausbau des schienengebundenen ÖPNV in der Region; hier wird nur das Bisherige fortgeschrieben und nicht einmal erläutert, warum Maßnahmen, die bereits 2012 und 2016 beschlossen waren, nun wieder den Status „Prüfauftrag“ haben sollen. Weder werden der kommende Deutschland-Takt, noch Pläne und Initiativen  berücksichtigt, das Schienennetz der Region zu erweitern.

Anstatt sich in Einzelmaßnahmen und Prüfaufträgen zu verzetteln, erwarten wir vom RGB die Entwicklung einer übergeordneten, an den Bedürfnissen der jetzigen und künftigen ÖV-Nutzer_innen orientierten Netzstruktur, die die verschiedenen ÖV-Arten sinnvoll miteinander verknüpft und zukunftsorientiert ist.

Wir erwarten weiter Zielvorgaben für den bis 2025 zu erreichenden Anteil des ÖPNV am Gesamtverkehr in der Region. Hier finden sich nur blumige Allgemeinplätze im NVP. Dazu haben wir in unserer Stellungnahme anhand zweier Teilnetze im Norden Braunschweigs und des grenzüberschreitenden Verkehrs ins Nachbarland Sachsen-Anhalt konrete Vorschläge entwickelt.

Das Phänomen Critical Mass

Viele Städte in Deutschland wurden in den 60er Jahren als „autogerechte“ Stadt aufgebaut. Möglichst einfaches und gutes Vorankommen mit dem Auto galt hierbei als Maßstab guter Verkehrspolitik. In neu erichteten Stadtteilen (wie in Braunschweig die Weststadt oder Heidberg) konnten relativ einfach breite, für hohen Autoverkehr ausgelegte Straßen einfach eingeplant werden. In den innerstädtischen Bereichen konnten dagegen vielfach keine weiteren Flächen für den Autoverkehr gefunden werden – außer es wurden, wie teils leider geschehen, historische Straßenzüge abgerissen und breite Straßen angelegt. Das Ergebnis ist nun, dass der innerstädtische Bereich den Autoverkehr aus den umliegenden Bereichen nicht mehr aufnehmen kann und es regelmäßig zur Überfüllung (=Stau und Parkplatznot) kommt. Als klassisches braunschweiger Beispiel könnte man hier die Lange Straße nennen.

Viele Städte versuchen nun ein Ende der autogerechten Stadt. Dabei kommt der Wille zum Umstieg vermehrt nicht unbedingt aus der Politik, sondern direkt aus dem Kreise der Bürger. Auch die Mitglieder von MoVeBS sehen eine Stärkung der Alternativen des Autos (ÖPNV, Fahrrad, ggf. Fußverkehr) als notwendig an, um für die Zukunft ein flüssiges, umweltfreundliches und sozialverträgliches Verkehrssystem aufzubauen.

Eine Bewegung, die ebenfalls direkt aus dem Kreise der (radfahrenden) Bürger kommt, ist die Protestbewegung Critical Mass. Hierbei wird die in der StVO verankerte Möglichkeit zur Bildung eines geschlossenen Verbandes genutzt, um dann auf der Fahrbahn fahrend wie ein Fahrzeug z.B. über die Ampel fahren zu können (auch wenn die Ampel zwischenzeitlich auf Rot umspringt, dürfen alle Radfahrer dieses Verbundes weiter fahren).

Critical Mass am Radeklint

Critical Mass am Radeklint

In Braunschweig treffen sich jeden letzten Freitag im Monat um 19:00 alle Teilnehmer/Interessierten zur gemeinsamen Fahrt durch Braunschweig. So fanden sich beim letzten Mal (29. Mai) laut Facebook-Seite der Critical Mass über 200 Leute zur gemeinsamen Fahrt durch Braunschweig. Auch in Braunschweig wird der Wille des Bürgers zum Wandel in der Prioritätensetztung der Verkehrspolitik mehr und mehr deutlich.

Treffen am Hauptbahnhof vor der gemeinsamen Fahrt

Treffen am Hauptbahnhof vor der gemeinsamen Fahrt

Rasengleis: Attraktive Stadtgestaltung und Lärmreduktion

Die Ausführung von Straßenbahngleisen kann je nach Einsatzort- und zweck unterschiedlich sein: Gleise, die von anderen Verkehrsmitteln befahren oder von Fußgängern betreten werden können sollen, werden als Rillenschiene fest eingepflastert, betoniert oder asphaltiert ausgeführt. Gleise, die unabhängig vom übrigen Verkehr betrieben werden, können als Schottergleise oder Rasengleise ausgeführt werden.

Gerade letzteres bietet einen hohen gestalterischen Wert im Stadtbau: In sonst recht grauen Stadtlandschaften lassen sich grüne Farbakzente setzen. Diesen Nutzen haben in den letzten Jahren insbesondere die Franzosen zu wissen genutzt und so grüne Bänder durch ihre Städte gelegt (siehe Bild 1). Neben dem gestalterischen Nutzen kann das Gleis aber auch durch einen wasserdurchlässigem Aufbau (weniger Flächenversiegelung) punkten. Für die Anwohner einer Stadtbahnstrecke besonders interessant: Ein Rasengleis mit hoch liegender (d.h. an den Schienenkopf ragende) Rasenfläche ist besonders leise:

 

Oberbauform bzw. Schwellenart dB(A)
Holzschwellen 52,8+-0,9
Betonschwelle 52,9+-0,8
Feste Fahrbahn eingedeckt 57,6+-0,6
Rasengleis mit tiefliegendem Rasen 54,3+-1,3
Rasengleis mit hochliegendem Rasen 50,3+-1,3

(Vergleiswerte unterschiedlicher Gleisarten. Quelle: Torben Hoetter: Wege zur leisen Straßenbahn. Universität Rostock)

In Braunschweig hat sich das Rasengleis zunächst nur an wenigen Stellen durchgesetzt, wie z.B. in Stöckheim (vgl. Bild 2).  Aktuell wird das Rasengleis allerdings vermehrt eingebaut (wie z.B. an der Wendenstraße, vgl. Bild 3). Wir begrüßen aufgrund der Vorteile den Einbau dieser Gleise und setzen uns dafür ein, dass dies auch in Zukunft an geeigneten Stellen der Fall sein wird.

LyonBild 1: Rasengleis der Lyoner Straßenbahn

StöckheimBild 2: Rasengleis in Braunschweig-Stöckheim

WendenstraßeBild 3: Im Bau befindliches Rasengleis im Bereich Wendenstraße