Anmerkungen zum Beschluss „Beschaffung von 2,65 m breiten Fahrzeugen für die Stadtbahn auf 1100 mm Spurweite“

Die Stadt und BSVG haben beschlossen, breitere Fahrzeuge mit einer Höchstbreite von 2,65 m auf der 1100 mm Spurbreite in Braunschweig einzusetzen. Dieser Beschluss hat sowohl positive als auch negative Aspekte. Ausführliches dazu in unserer „Stellungnahme zur Ratsvorlage „Stadtbahn – Erstellung eines Fahrzeug- und Infrastrukturkonzeptes für den Einsatz von 2,65 m breiten Fahrzeugen auf 1.100 mm Spurweite“.

Der Einsatz von breiteren Fahrzeugen bedingt den Erhalt oder die Schaffung von entsprechend breiteren Trassenräumen im gesamten Streckennetz, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Auch der vorgesehene Einsatz breiterer Fahrzeuge auf Braunschweigs Sonderspurweite ist vernünftiger, als 2030 wieder schmale Bahnen als Ersatz für abgängige Altfahrzeuge zu beschaffen, weil kein Raum für breitere Fahrzeuge geschaffen wurde.

Der Einsatz von 2,65 m-Fahrzeugen auf der heutigen Spurweite von 1100 mm erfordert Anpassungsmaßnahmen und Umbauten im Streckennetz. Diese Baumaßnahmen dürfen jedoch die Zukunftsfähigkeit des Schienenbetriebs in Braunschweig nicht einschränken, insbesondere im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit, die Beschaffung von (normalspurigen) Standardfahrzeugen und die Einbindung des Umlands. Eine mögliche und sinnvolle Umspurung auf Normalspur darf nicht durch aufwendige Umbauten erschwert werden, da dies jede Zukunftsfähigkeit des Schienenbetriebs in Braunschweig aufgeben würde.

Daher fordern wir einen politischen Grundsatzbeschluss, der sicherstellt, dass Baumaßnahmen im Gleisbereich für 2,65-m-Fahrzeuge auf 1100 mm nicht zu Lasten einer zukünftigen Umspurung auf Normalspur gehen dürfen. Die bislang problemlos mögliche Kombination von älteren 2,30 m breiten Fahrzeugen auf der heutigen exotischen Spurweite von 1100 mm mit neuen Standardfahrzeugen auf 1435 mm (Normalspur) darf nicht aufgegeben werden.

Bei Baumaßnahmen im Gleisbereich ist es notwendig, die Auswirkungen auf einen künftigen Umbau auf die Regelspur zu berücksichtigen und zu hinterfragen, wie sich diese auf Betriebskonzepte, den Nutzen für die Fahrgäste im Sinne einer leistungsfähigen Stadtbahn und die Klimaziele im Sinne einer Verkehrswende auswirken.

Es ist wichtig, dass die technische Komplexität dieser Aufgabe nicht dem politischen Willen zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem vielschichtigen Thema im Wege steht. Eine wirkliche Verkehrswende erfordert Mut, Mühe und eine Unternehmenskultur, die Visionen zulässt. Die Idee einer Verknüpfung von Stadt und Region per „RegioStadtBahn“ wird anderswo erfolgreich umgesetzt, und die Option der Einbindung der Wendeburg Strecke („Spargelexpress“) in das Straßenbahnnetz bietet Braunschweig eine erneute Chance in diese Richtung.

Dies ist eine gemeinsame Mitteilung von MoVeBs und VCD.

Die Verkehrswende darf nicht durch Luftschlösser gefährdet werden!

Die Mobilitätsverbände wie MoVeBs fordern eine konsequente Umsetzung der Planungen „SPNV 2030+“ des Regionalverbands Großraum Braunschweig (RGB) für einen emissionsfreien Schienenverkehr.

Dazu Peter Westphal, Mitglied von MoVeBs: „Wir fordern die Politik auf, sachlich begründete Entscheidungen zu treffen und keine Profilierung zu Lasten des Schienenverkehrs zu betreiben. Der Regionalverband hat hier gute Arbeit geleistet und der Politik eine sachlich einwandfreie Einschätzung gegeben: Langfristig muss das Netz komplett mit Oberleitungen ausgestattet werden, bis dahin sollten Batteriezüge die Brücke in die Klimaneutralität liefern. Eine vollständige Elektrifizierung des Schienennetzes macht den Betrieb flexibler und damit störungsfreier.“

Aus Teilen der Politik, welche dem gutachterlich gestütztem Konzept SPNV 2030+ bereits zugestimmt hatten, gibt es nun Forderungen, statt der Batterie-/Oberleitungs-Technik auf die Nutzung von Brennstoffzellen zu setzen. Die Fachliteratur (s.u.) sagt, dass dies aus ganz unterschiedlichen Gründen verkehrs- und industriepolitisch nicht sinnvoll ist.

Unsere Argumente:

Wasserstoffantriebe haben hohe Verluste
Für die Darstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse wird etwa die drei- bis vierfache Menge an Primärenergie benötigt und damit mehr Anlagen zur Erzeugung von Strom, z.B. Windräder oder PV-Anlagen, denn dieser Strom muß grün sein! Diese Menge an regenerativ erzeugtem Strom haben wir nicht und werden sie auch so schnell nicht haben.

Die Nutzung von Wasserstoff im Brennstoffzellenantrieb hat wiederum sehr geringe Wirkungsgrade, letztendlich kommen etwa 30 % der Primärenergie im Antrieb an!

Die beiden Wasserstoffzug-Pilotprojekte (Taunus, Bremervörde) in der Bundesrepublik nutzen Wasserstoff, der in dortigen Industrieanlagen „abfällt“. In unserer Region muss er verlustreich mit Windrädern und PV-Anlagen erzeugt werden und wäre sinnvoller als industrieller Grundstoff in z.B. in der Stahlverhüttung einzusetzen, wo er alternativlos ist.

Infrastrukturelle Nachteile weiterer Antriebstechnologien
Eine Ausweitung der Antriebe in unserem Regionalbahnnetz bedingte auch verschieden ausgestattete Werkstätten; doppelter Aufwand bei Ersatzteilen, Instandhaltung, spezialisiertem Personal und Sicherheitsbereichen wären die Folge. Unnötige Betriebskosten sind unbedingt zu vermeiden!

Verschiedene Antriebe bedeuten auch kleinere Flotten der jeweiligen Technologie und u.U. einen höheren Fahrzeugbedarf (Betriebs- und Werkstoffreserven je Antriebsart)

Nur wenn im Betrieb günstige Fahrzeuge in der Region verkehren, können sie in solch großer Zahl und Dichte fahren, dass sie eine Alternative zum Auto darstellen. Besonders teure Fahrzeuge sind somit kein Beitrag zu einer Verkehrswende und sollten nur im Einzelfall zum Einsatz kommen.

Mangelnde betriebliche Zuverlässigkeit
Wasserstoffzüge verkehren seit einigen Jahren, dennoch sind sie bis heute als sehr anfällig für Ausfälle bekannt (siehe Taunusbahn). Die Fahrgäste erwarten aber zu Recht Verlässlichkeit.

Negative Auswirkungen auf regionale Verkehrsprojekte
Wasserstoffzüge sind bei Anschaffung und im Betrieb besonders teuer. Das würde sich in der Standardisierten Bewertung bei Reaktivierungsvorhaben (wie z.B. dem Spargelexpress) zusätzlich negativ auswirken. Eine politische Entscheidung pro Wasserstoffantriebe gefährdet diese für den ländlichen Raum wichtigen Projekte, die ohnehin schon große Hürden überwinden müssen.

Zweifel am Nutzen für die lokale Wirtschaft
Um die lokale Wirtschaft zu stärken macht es Sinn, Fahrzeuge zu kaufen, die zu großen Anteilen hier gebaut werden. Alstom bietet alle Arten von emissionsfreien Antrieben, die Brennstoffzellen werden jedoch im Ausland beschafft.

Die Fahrzeugbeschaffung muss europaweit ausgeschrieben werden. Es bestehen jedoch Zweifel daran, dass die lokal produzierten Wasserstoffzüge i-LINT den fahrdynamischen Erfordernissen des Bahnnetzes im Verbandsgebiet erfüllen und somit wettbewerbsfähig sind.

Wir fordern die Vollelektrifizierung

Die emmissionsärmste und nachhaltigste Antriebstechnologie besteht aus regenerativ erzeugtem Strom, der in die Oberleitung eingespeist und ohne Zwischenspeicherung in Bewegungsenergie umgesetzt wird.

Wie der RGB haben bundesweit viele Aufgabenträger Untersuchungen von Antriebstechnologien vornehmen lassen. Beziehen sie sich immer auf den Einzelfall der lokalen Gegebenheiten, kommen sie stets zu dem Ergebnis, dass ab einem Halbstundentakt die langfristig wirtschaftlichste Lösung die Vollelektrifizierung ist. In den Fahrbeziehungen Braunschweig <-> Umland ist das nach SPNV 2030+ der Regelfall. Wasserstoffbetriebene Lösungen kommen hingegen eher bei Netzen mit einem Takt längergleich 60 Minuten und langen nicht elektifizierten Abschnitten in Frage.

Die Wirtschaftlichkeit von Oberleitungen hängt nicht alleine vom Schienenpersonenverkehr ab, sondern auch vom Güterverkehr. Jeder Meter Oberleitung ist auch ein Beitrag zu einem klimaneutralen Gütertransport.

Batteriezüge (BEMU) als sinnvolle Übergangstechnologie
Batteriezüge sind bewährt, betriebssicher und auch aus regionaler Produktion verfügbar.

Batteriezüge sind verglichen mit den in Betrieb befindlichen Dieselfahrzeugen und Wasserstoffzügen beschleunigungsstärker. Das eröffnet wichtige Potenziale bei der Fahrzeitverkürzung, dem Aufholen von Verspätungen bzw. der Errichtung weiterer Haltepunkte bei gleicher Fahrzeit.

Jede Elektrifizierung ist ein Schritt auf dem Weg zur Vollelektrifizierung und somit besonders nachhaltig.

Weitere Hürden für die Elektrifizierung abbauen (Gesetzgebung)
Anpassung der Kostenteilung nach Eisenbahnkreuzungsgesetz derart, dass z.B. beim Neubau von Straßenbrücken über künftig zu elektrifizierende Bahnstrecken die Eisenbahn bestenfalls die tatsächlich anfallenden Mehrkosten tragen muss.

Siehe auch:

https://www.umweltbundesamt.de/print/75686
„…Die kostengünstigste Option für den Umbau des Verkehrs zu einem treibhausgasneutralen Sektor sind laut einer neuen Studie Elektrofahrzeuge. Der teuerste Weg wäre ein Umstieg auf Brennstoffzellenfahrzeuge, die aus erneuerbarem Strom hergestellten Wasserstoff nutzen. Diese Option würde gegenüber einer möglichst direkten Nutzung von Strom im Zeitraum 2020 – 2050 rund 600 Milliarden Euro mehr kosten…“

VDB-LEITFADEN: EMISSIONSFREIE MOBILITÄT – eine Strategie für den Einsatz von
batterieelektrischen Triebzügen und Ladeinfrastruktur in Deutschlands Schienenpersonennahverkehr
„…Elektrischer Bahnverkehr bietet schon heute dank der Oberleitung das Potential, lokal vollständig emissionsfrei zu fahren und die Städte so von Schadstoffen zu entlasten. Gleichzeitig ist elektrischer Bahnverkehr technisch sehr zuverlässig und potentiell am schnellsten auf nahezu emissionsfreie Energieversorgung umzustellen.
Etwa 60 % des gesamten deutschen Eisenbahnnetzes sind schon heute elektrifiziert. So wird unmittelbar nutzbare Traktionsenergie bei Fahrt unter Oberleitung gesichert. Doch dieses Netz bildet zugleich eine umfangreiche und leistungsfähige Ladeinfrastruktur für die Speicher batterieelektrischer Triebzüge, die bereits genormt, erprobt und zuverlässig ist. Die Elektrifizierung wichtiger Eisenbahnstrecken, welche teilweise bereits im Bundesverkehrswegeplan enthalten ist, schreitet parallel dazu weiter voran.
Im Anschluss an Oberleitungsabschnitte und zwischen elektrifizierten Strecken gibt es trotzdem noch häufig Lücken, die durch Züge mit innovativer Antriebs- und Speichertechnik und die Nutzung des vorhandenen Oberleitungsnetzes als Ladeinfrastruktur überbrückt werden können. Eine Übersicht der TU Berlin zeigt, dass Dieselstrecken in der Regel kurze Abschnitte im Schienennetz sind, die häufig direkt in elektrifizierte Streckennetze übergehen.
Ungefähr 80 % dieser Linien besitzen einen Zugang zum elektrischen Netz, sodass viele Linien von innovativen, schon marktreifen und erhältlichen batterieelektrischen Triebzügen befahren werden können. Würde man die Endpunkte der derzeit oberleitungslosen mit Diesel befahrenen Nahverkehrslinien mit einer Ladestation ausstatten, so ließe sich bereits ein erheblicher Teil der Strecken, darunter auch viele grenzüberschreitende Verbindungen, auf vollelektrischen gänzlich emissionsfreien Betrieb umstellen….“

https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/sustainability-innovation/2022/WP01-2022_Alternative_Antriebe_im_Schienenverkehr_Frank_Gnann.pdf

https://www.vde.com/resource/blob/2208166/856e76b3bf2c31104030c12127e0f0bd/2022-09-19-wasserstoff-schienenverkehr-impulspapier-data.pdf