Schon vor einigen Monaten hat sich MoVeBs zusammen mit weiteren Umwelt- und Verkehrsverbänden positiv zu den baulichen Möglichkeiten einer Fuß- und Radwegunterführung geäußert (siehe Beitrag vom 1.4.22). An dieser Stelle möchten wir zwei wesentliche Aspekte für eine sachliche Diskussion nachliefern, die wir in unse
rer ersten Darstellung für Konsens hielten.
In der aktuellen Diskussion um die Umgestaltung des Bahnübergangs (BÜs) an der Grünewaldstraße wird aus dem Bereich von Bürgerinitiativen die Forderung nach einer Nulllösung laut: Es soll bei einer technischen Sicherung mit (modernisierten) Schranken bleiben. Diese Forderung können wir sehr gut nachvollziehen, hat es doch so seit Jahrzehnten funktioniert. Warum sollen also alte Bäume gefällt, Löcher gegraben, Beton verbaut und gleichzeitig der Fuß- und Radverkehr eingeschränkt werden?
Die Antwort lautet: „Weil die Klimakatastrophe eine Verkehrswende erforderlich macht, die längst ihren Erfordernissen nachhinkt! Wir müssen endlich die Forderung „act now!“ in die Praxis umsetzen!“
Nach Kenntnis von MoVeBs wird sich die Anzahl der Zugdurchfahrten erheblich steigern: Fakt ist schon jetzt, dass sich bei den Personenzügen der RB47 die Anzahl verdoppeln wird. Auf einem dritten Gleis, das im Bahnhof Gliesmarode bereits baulich vorgesehen ist, können weitere Züge aus dem Vorharz direkt bis Gliesmarode geführt werden, um einen attraktiveren Verkehr in den Osten Braunschweigs zu bieten. Weiter hinzu kommt hoffentlich die Wiederaufnahme des Personenverkehrs nach Wendeburg / Harvesse.
Im Sinne der Verkehrswende ist zudem zu erwarten, dass der vielfältige Güterverkehr auf der Bahn in Richtung Hafen und VW deutlich steigen wird, zumal letzterer hier seine Logistik erheblich erweitert.
Die Steigerungen im Bahnverkehr werden unabhängig von Nulllösung oder Brücke kommen, weil sie zwingend notwendig und überfällig sind.
Der ursprüngliche Anstoß, über Veränderungen des Bahnübergangs nachzudenken, kam von der DB Netz AG, die ihre Stellwerkstechnik in diesem Bereich erneuern möchte. Nach Einschätzung unserer Fachleute wird sich jedoch die Schließdauer je Zug auch mit moderner Technik kaum verringern. Insgesamt ist durch den künftig stärkeren Bahnverkehr zu erwarten, dass die Schranken mehr geschlossen als geöffnet sind. Nicht zu vergessen: Schranken sind wartungsintensiv, können kaputtgehen und somit Störungen im Bahnbetrieb und am Bahnübergang auslösen (Stichwort: Verspätung durch Bahnübergangsstörung).
Die Entscheidung für eine Nulllösung (ebenerdiger BÜ) würde diese Situation für viele Jahrzehnte zementieren. Sehen es künftige Generationen auch so, dass wir Bahnbetrieb sowie Rad- und Fußverkehr dauerhaft unnötig einschränken, weil wir uns jetzt vor einer städtebaulich schwierigen Aufgabe drücken wollen?
Bleibt es bei der Schrankensicherung, entstehen unweigerlich Nachteile für den Bahn-, Fuß- und Fahrradverkehr, es entsteht ein Konfliktfeld, gegen das sich MoVeBs entschieden wendet.
Die bedeutsame Fuß- und Radverkehrsachse längs der Grünewaldstraße nach Gliesmarode abseits stark befahrener Straßen soll frei von Hindernissen sein, um ihre Attraktivität im Sinne der Verkehrswende möglichst zu steigern! MoVeBs tritt dafür an, den Umweltverbund aus Fuß-, Rad-, Bus- und Bahnverkehr in sich konfliktfrei zu fördern.
Wir befürchten ferner, dass bei fortwährender, zunehmend emotional geführter Diskussion auch die „Minusvariante“ ins Spiel kommen kann, also die Frage, ob der BÜ an sich benötigt wird oder nicht. Sollte entschieden werden, dass der BÜ nicht gebraucht wird, müssten allerdings die Alternativrouten fahrradgerecht ausgebaut werden. Die aktuelle Infrastruktur an der Berliner Straße ist für Radfahrer untragbar (teilweise Zweirichtungsradweg 1,60 m breit oder Einrichtungsradweg von 60-80 cm Breite), an der Ebertallee sieht es nicht viel besser aus.
Ein weiterer Aspekt fehlt bislang in der Debatte: Es geht um die Sicherheit von Leib und Leben. Insbesondere die schweren, leider mehrfach auch tödlichen Unfälle am nur wenige Kilometer entfernten Bahnübergang in Kralenriede haben uns gezeigt, wie gefährlich ein ebenerdiger BÜ werden kann. Ja, auf der gesamten Strecke der RB47 kommt es immer wieder zu entsprechenden Unfällen an Bahnübergängen (siehe Kasten). Gerade in Gliesmarode erhöht sich durch die zukünftig hohe Zahl an Zügen diese Gefahr, zumal das häufige Schließen der Schranken die Geduld der Wartenden aufzehrt und die Hemmschwelle zum illegalen Queren neben den geschlossenen Schranken oder abseits über Trampelpfade deutlich verringert.
Mai 2014 | Meine | Pkw gegen Zug |
Juli 2015 | Bienrode | Pkw wird von Regionalzug erfasst, Person verletzt |
Oktober 2017 | Meine | Frau umfährt Schranke, Pkw rammt Regionalbahn |
Juni 2019 | Querum | Person gegen Zug, 20-Jähriger in Lebensgefahr |
September 2019 | Isenbüttel | Tödlicher Unfall mit Pkw am Bahnübergang Triftweg |
Oktober 2021 | Bechtsbüttel | Mann und Hund bei Unfall mit Regionalbahn getötet |
August 2022 | Bienrode | Pkw an Bahnübergang gegen Zug, ein Schwerverletzter |
Aus Sicht von MoVeBs überwiegen die Vorteile eines langlebigen Brückenbauwerks mit heller Unterführung des Rad- und Fußwegs, das zudem die Möglichkeit eröffnet, einen Zugang zum Bahnsteig aus Richtung Süden zu schaffen. So kann eine langfristig leistungsfähige, sichere und konfliktfreie Lösung für Bahn-, Fuß- und Radverkehr entstehen.
MoVeBs hat sich zur Aufgabe gemacht, im schwierigen Spannungsfeld zwischen dem Umweltverbund aus Fuß-, Rad-, Bus- und Bahnverkehr, dem Individualverkehr und auch den Belangen des Naturschutzes zu vermitteln.
Wir treten für ökologisch verträgliche Baumaßnahmen im Sinne der dringend nötigen Verkehrswende ein, die mit wirksamen Maßnahmen ausgeglichen werden müssen. Wie alle Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sollen diese eine hohe Effizienz haben und möglichst nah, wie gesetzlich vorgesehen, am Ort des Eingriffs erfolgen. Es ist zu beachten, dass Baumaßnahmen für den ÖPNV und Güterschienenverkehr darüber hinaus zusätzlich Umwelt entlastend wirken, da sie an anderen Stellen Verkehr reduzieren, Ruhe bringen und Emissionen vermeiden.