Der von der Verwaltung eingebrachte
Beschlussvorschlag zur Stadtstraße-Nord bietet Chancen für Politik und große
Risiken für die Stadtgesellschaft und den Klimaschutz in Braunschweig. In der
Beschlussvorlage werden ausnahmsweise unterschiedliche und allesamt von der
Verwaltung als umsetzbar eingeschätzte Varianten zur Auswahl gestellt. Die
Politik hat hier einen besonderen Gestaltungsspielraum und die seltene
Möglichkeit langjährige Konflikte zu befrieden.
Das in der Verwaltung zitierte, aber
nicht öffentlich zugängliche Gutachten von 2020 zur Stadtstraße-Nord beweist,
dass es klima- und bürgerschützende Alternativen gegenüber der, an die
Nordtangente angelehnte, Straßenplanung der Stadtstraße-Nord gibt. Alle vier
zitierten Varianten sind im Grundsatz als möglich bewertet worden, mit
unterschiedlichen Vor- und Nachteilen.
So bietet die von der Verwaltung favorisierte Variante 1 mit einer Durchbindung bis zur Hamburger Straße die größte Gefahr durch einen weiterwachsenden Autoverkehr in der Nordstadt und damit eine weiterwachsende Belastung der Bürger der Nordstadt. Neue Straßen führen grundsätzlich immer zu einem Anwachsen der Verkehrsmenge. Dieser Effekt ist wissenschaftlich bewiesen und nicht umstritten.[1][2] Er wird jedoch von der Verwaltung in ihrer Vorlage nicht, oder nicht hinreichend berücksichtigt. Die Entlastungseffekte, welche z.B. für die Siegfriedstraße angegeben werden, können nur kurzfristig sein und werden mittelfristig durch den neu entstehenden (induzierten) Verkehr wieder zu Nichte gemacht. Sie sind unserer Einschätzung nach nicht notwendig. Durch die Umstrukturierung der Logistik des VW-Werkes im Zuge der Schaffung des Logistik-Zentrums hat der LKW-Verkehr wesentlich abgenommen. Starke Einschränkungen der Stadtbahn sind uns nicht bekannt und wären durch einfachere Maßnahmen, wie bessere Ampelsteuerungen leichter erreichbar.
Eine Durchbindung der Straße wie in
Variante 1 vorgeschlagen führt zu enormen Eingriffen in Knotenpunkte, welche
teilweise auf ein Vielfaches ihrer heutigen Größe anwachsen sollen und keine
Qualität für Fußgehende oder Radfahrende bieten können. Sie sind ein
Rückschritt, wenn man sie z.B. mit wichtigen Beschlüssen wie „Braunschweigs
Weg für einen besseren Radverkehr“ ins Verhältnis setzt.
Dem gegenüber bestehen große Chancen
darin, die bestandnahe Variante 3 umzusetzen. Sie fördert den ÖPNV, den Rad-
und den Fußverkehr. Sie bietet eine gute Erschließung für die Anwohnenden und
fördert den Durchgangsverkehr nicht. Diese Variante ist am ehesten geeignet die
angeschobene Mobilitätswende in Braunschweig zu fördern. Sie führt zu den
geringsten Kosten und schafft nur geringe Eingriffe in die angrenzenden
Straßen.
Vor diesem Hintergrund möchten wir an
die Fraktionen im Rat der Stadt Braunschweig appellieren, dem
Beschlussvorschlag der Verwaltung nicht zuzustimmen. Wir empfehlen die
Variante 3 als vorerst einzige Variante zu verfolgen. Dies verbaut keine
Optionen für die Zukunft für die Erschließung weiterer Baugebiete in der
Nordstadt.
Weiterhin regen wir an, dass es
sinnvoller ist bereits jetzt nur eine Erschließungsstraße zu bauen und diese
möglichst sparsam, also kleiner als die vorliegende Planung. Eine kleine
Erschließungsstraße sollte selbst ohne Förderung weit unter den Kosten einer
durchgehenden Stadtstraße-Nord liegen. Wenn diese lediglich Busse, PKW von
Anwohnenden, Rad- und Fußverkehr aufnehmen soll, bietet sich eine kleine
Fahrradstraße an. Für die weiteren, im Beschlussvorschlag aufgeführten
Nebenstraßen möchten wir anregen, diese insgesamt durch bauliche Aufwertung und
einen Fokus auf Rad- und Fußverkehr zu beruhigen und so die Nordstadt für alle
Bewohnenden mittelfristig attraktiver zu machen.
Die Entscheidung über diese
Straße ist eine Richtungsentscheidung. Die Parteien können zeigen, ob ihre
ambitionierten Klimaschutzkonzepte Substanz haben, oder ob sie hohle Worte im
Vorlauf auf den Kommunalwahlkampf 2021 sind.
[1] https://www.spiegel.de/auto/verkehr-studie-aus-den-usa-breitere-strassen-helfen-nicht-gegen-stau-a-8f07ea3c-f0f0-42cb-a18d-629c24c6119d
[2] https://www.zukunft-mobilitaet.net/34848/analyse/stau-strassenausbau-alternativen-foerderung-oepnv/